Goldfische: 1, 2, 3, Viele …
…so lautet die Formel zur Vermehrungsrate einiger beliebter Aquarien- und Gartenteichbewohner. Der Goldfisch gehört zweifelsfrei dazu. Dessen „Auswilderung“ bringt jedoch massive Probleme mit sich!
Wer nach Erkennen der gewaltigen Vermehrung überschüssige Goldfische in die kleinen Teiche und Tümpel im Stadtgebiet „entsorgt“ und sich dabei denkt „Den Tieren geht’s ja eh gut!“, der irrt gewaltig. Die bunten Giebel vermehren sich in warmen, nährstoffreichen Gewässern explosionsartig und ein natürlicher Feind ist in weiter Ferne. Das meist ohnehin fragile ökologische Gleichgewicht kommt dabei gehörig ins Wanken, was allzu oft in einem Zusammenbruch endet. Der Teich kippt. Und dabei verenden nicht nur die Goldfische, sondern alle Wasserlebewesen qualvoll.
Wer frisst wen?
Wer die Ursachen dieses Desasters verstehen will, muss sich mit den Grundlagen der Gewässerökologie beschäftigen, kurz gefasst: Wer frisst wen? In einem funktionieren Ökosystem steht an der Basis das pflanzliche Plankton (Algen), welches sich u.a. von den Nährstoffen (Dünger) des Gewässers ernährt. Das pflanzliche Plankton wird vom tierischen Plankton (zB. Flohkrebse, Hüpferlinge) gefressen. Dieses wiederum steht Jung- und Friedfischen als Nahrung zur Verfügung. Friedfische werden von Raubfischen gefressen. Die Ausscheidungen aller Fische bzw. aller verendeter Lebewesen werden von Bakterien und Pilzen zerlegt, chemisch umgebaut und stehen dann wieder als Dünger für das pflanzliche Plankton zur Verfügung. Der Kreis schließt sich. Darüber hinaus verbrauchen alle Lebewesen Sauerstoff, jedoch nur die grünen Pflanzen (Algen) produzieren diesen. Dies aber nur, wenn es hell ist. In der Nacht atmen Algen und verbrauchen dabei auch Sauerstoff.
Ein ausgeglichenes Ökosystem hat nun an der Spitze der Nahrungspyramide einen ausgewogenen Raubfischbestand, welcher die Fried- und Jungfische auf konstant geringem Niveau hält. Dadurch hat das tierische Plankton weniger Fressfeinde und ist in großer Zahl vorhanden. Vom hohen Bestand an tierischem Plankton wird massiver Fraßdruck auf die Algen ausgeübt, weshalb Algenblüten ausbleiben. Das Wasser bleibt klar und sauber, Sonnenlicht kann ins Wasser eindringen und die Algen produzieren mehr als genügend Sauerstoff für alle. Das System ist im Gleichgewicht.
Goldfische NICHT freilassen!
Fehlt der Raubfischbestand, kehrt sich das System um: Viele Fried- und Jungfische fressen das tierische Plankton weg, die Algen vermehren sich rasant. Gleichzeitig explodiert die Zahl der robusten Goldfische, welche noch dazu bei ihrer Nahrung nicht wählerisch sind. Artenreichtum und Goldfischteich verträgt sich gar nicht! Viele der städtischen Kleingewässer sind darüber hinaus sehr nährstoffreich und warm, was sowohl den Algen als auch den Goldfischen sehr gelegen kommt. Dieses System heizt sich immer mehr auf, bis schlussendlich allen gemeinsam der Sauerstoff ausgeht. Der Teich kippt – die Tiere verenden qualvoll! Übrig bleiben eine stinkende Kloake und jede Menge toter Wassertiere.
Die Eingriffsmöglichkeiten des Menschen beschränken sich dann meist nur mehr auf das Entsorgen der Tierkadaver und die aufwendige Sanierung des Gewässers. Bis der Nächste seine überschüssigen Goldfische entsorgt. Da fischereiliches Management in öffentlichen Stillgewässern über Raubfischbesatz kaum vorkommt, bleibt nur an die Vernunft zu appellieren: Goldfische & Co müssen dort bleiben, wo sie hingehören. In gut gepflegte, artgerechte Aquarien und Teiche zuhause.
Das Aussetzen standortfremder Wassertiere in öffentliche Gewässer ist jedoch ein Akt der Tierquälerei und massiver Angriff auf das ökologische Gleichgewicht in den ohnehin schon stark belasteten, städtischen Gewässern. Rechtlich gesehen ist dies sogar verboten und stellt eine Faunenverfälschung dar.