Kunststoffmüll – Gefahr für Fische

In den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts fielen Müllmengen aus Plastikmaterial erstmals wirklich auf. Freilich gab es sie schon Jahrzehnte vorher, aber in den 1960ern erwachte langsam ein Umweltbewusstsein. Von Helmut Belanyecz

Leider, muss man sagen, erwachte dieses Unterbewusstsein sehr langsam. Denn seitdem sind mehr als fünf Jahrzehnte vergangen, die Mengen an Kunststoffmüll wachsen jedoch weiter ins Unermessliche. Regen, Wind und Schneeschmelze befördern den Kunststoff-Abfall in die Gewässer. Darüberhinaus findet auch oftmals eine kostenlose Entsorgung ins nächste Fließgewässer statt. Frei nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Plastikflaschen, Nylon-Sackerl, alle möglichen Verpackungen.

Diese Fischlarve (ca. zwölf Millimeter) aus der Donau hat Plastikpartikel im Darmtrakt. © R. Krusch

Diese Fischlarve (ca. zwölf Millimeter) aus der Donau hat Plastikpartikel im Darmtrakt. © R. Krusch

Wir Fischer ziehen mindestens einmal jährlich durch die Auen und Wälder des Landes und sammeln diesen Unrat lastwagenweise ein. Und im nächsten Jahr ist es wieder das Gleiche. Eine Menge Plastikmüll schwimmt die Bäche und Flüsse stromab. Problem daran: Diese Materialien halten fast ewig. Untersuchungen lassen Hochrechnungen zu. Plastikflaschen werden 450 Jahre bis zur Zersetzung brauchen, Nylonetze der Berufsfischerei im Meer 600 Jahre. Im Pazifik werden solche Netze bereits mit 200 km Länge ausgelegt. Wenn diese dann durch Stürme oder Schiffe verheddert werden, bleiben sie als unbrauchbarer Müll draußen im Ozean. Eine Reparatur wäre unrentabel. Zigtausende Meereslebewesen sterben sinnlos darin. Nach den Berechnungen des Umweltbundesamtes sind das Größenordnungen von 25.000 Netze pro Jahr! Wir – die Menschheit – reduzieren die Fischbestände der Ozeane nicht nur durch den Fang, sondern auch durch sinnlose Vernichtung. Kanadische Wissenschaftler haben dokumentiert, dass innerhalb weniger Jahrzehnte Meeresfische mit mehr als 4,5 Kilogramm Gewicht auf weniger als 2% der Population zurückgefallen sind.
Und was ist mit dem restlichen Kunststoffmüll? In den drei großen Ozeanen Atlantik, Pazifik und Indischer Ozean kreisen große Meeresströmungen in deren Mitte der Müll zusammengetragen wird. Zum Teil schwimmt der Unrat. Diese schwimmenden Inseln haben bereits die Größe von halben Erdteilen. Zu einem guten Teil liegt der Abfall aber auch am Meeresboden. Das gilt genauso für die kleinen Meere wie Ostsee, Schwarzes Meer, Mittelmeer. In der Nordsee liegen Berechnungen zufolge rund 600.000 Kubikmeter Plastikmüll am Grund.

Die Wellen zerreiben die Plastikteile zu immer kleiner werdender Korngröße. Dieses „Mikroplastik“ wird dann von Plankton aufgenommen und gelangt so direkt in die Nahrungskette. Von diesen Mikrokunststoffteilchen gibt es bereits fast so viele wie Plankton selbst. Dieses Mikrogranulat wird von den kleinen Lebensformen gefressen und verlegt den Verdauungstrakt. Die Folge: Kleinkrebse, und Jungfische verenden. Größe Lebensformen fressen größeres Granulat – Fische aller Größen, Schildkröten, Delphine und Seevögel. Untersuchungen zeigen, UV-Licht und unterseeischer Vulkanismus sind ein zusätzliches Problem. Die Kunststoffe werden dabei chemisch gespaltet und setzen Giftstoffe frei. Wir wissen gar nicht, was da noch alles auf uns zukommt.
Aber das Problem mit dem Plastikabfall gibt es nicht nur im Meer. Alle unsere Flüsse sind schwer belastet. Nylon-Sackerl zerfleddern am Ufer, die Fetzen gelangen ins Wasser und werden wie Kieselsteine zermahlen. Das ist schon schlimm genug. Aber unsere Industrie versieht z.B. Kosmetika und Zahnpasten mit kleinsten Kunststoffkügelchen. All das landet im Wasser. In Schwechat, östlich von Wien, entsorgte die Firma Borealis kleines Kunststoffgranulat in die Donau. Im Jahr 2014 stellte Prof. Hubert Keckeis von der Uni Wien gewaltige Mengen solcher kleinsten Kunststoffteilchen im Fluss fest. Die Nasen- und Barbenbrütlinge fraßen das Mikrogranulat, es verlegte den Verdauungstrakt und die Fische verendeten massenhaft daran. Obwohl das Material laut Borealis nicht giftig sei, starben Tausende Fischbrütlinge daran.

Es muss nicht immer ein Konzern sein, auch jeder Haushalt produziert derlei Problemstoffe. Synthetik-Textilien zum Beispiel, geben pro Waschgang ca. 2.000 Mikrofasern ab. Bei Millionen Haushalten kommt eine Menge zusammen. Oder der Abrieb der Fahrzeugreifen. All das schädigt die Biodiversität der Meere und am Weg dorthin unsere Fischwelt. Allein in der Donau landen jährlich 40 Tonnen Mikroplastik. Aus anderen großen heimischen Flüssen liegen zwar keine Unterlagen vor, die Situation wird aber nicht anders sein.

Helmut Belanyecz, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF)

Helmut Belanyecz, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF)